Warum Igel schlauen Füchsen trotzdem überlegen sein können

In seinem berühmten Aufsatz “Der Fuchs und der Igel” unterteilt Isaiah Berlin in Anlehnung an eine griechische Fabel die Menschen in Igel und Füchse.

Der Fuchs ist berühmt für seine Schläue und kann sich unendlich viele Strategien ausdenken, um den Igel zu attackieren. Tagein, tagaus schleicht er um die Höhle des Igels, um in einem günstigen Moment zuzuschlagen. Mit seinem schönen, glänzendem Fell, seinen flinken Bewegungen und seiner List wirkt der Fuchs wie der sichere Gewinner. Verglichen mit ihm ist der Igel überhaupt nicht attraktiv. Er sieht aus wie eine Mischung aus Stachelschwein und Gürteltier und ist ständig auf der Suche nach Nahrung und besorgt um sein Heim.
Während der Fuchs auf der Lauer liegt, läuft ihm der Igel, seine eigene Sache im Sinn, über den Weg. “Jetzt hab ich dich”, denkt der Fuchs. Der kleine Igel wittert die Gefahr und denkt: “Der schon wieder! Lernt er’s denn nie?”, und igelt sich ein. Als der Fuchs die stachelige Kugel sieht, bläst er die Attacke ab und sinnt auf dem Rückweg in den Wald schon über eine neue Angriffstechnik nach. Jeden Tag spielt sich zwischen Fuchs und Igel das Gleiche ab – und trotz der größeren Schläue des Fuchses bleibt der Igel am Ende immer der Gewinner.

Anhand dieser Parabel entwickelt Isaiah Berlin zwei Arten von Menschen – den Fuchstypen und den Igeltypen.

Fuchstypen verfolgen viele Ziele gleichzeitig und erfassen die Welt in ihrer ganzen Komplexität. Sie sind zerstreut und immer auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu Gange. Fuchstypen bringen ihre Gedanken in kein zusammenhängendes Konzept und bündeln sie nicht zu einer Vision.

Igeltypen hingegen reduzieren komplexe Zusammenhänge auf eine einzige, zentrale Einsicht, ein grundlegendes Ordnungsprinzip, mit dem sie alles vereinheitlichen und steuern. Egal, wie komplex die Welt auch sein mag, der Igeltyp reduziert alle Herausforderungen und Probleme auf eine einfache – geradezu simple – Igelidee.

Was nicht in sein Schema passt, interessiert ihn nicht.

Der Unterschied zwischen denen, die in ihrem Leben wirklich etwas bewirken und denen, die bloß kluge Ideen haben liegt in diesem simplen Prinzip verborgen. Dem Igel-Prinzip. Ein paar Beispiele:

Freud und das Unbewusste
Marx und der Klassenkampf
Einstein und die Relativität
Robert Schuller und sein Möglichkeitsdenken

Denjenigen, die die tiefsten Spuren hinterlassen ruft man hinterher: “Gute Idee, aber viel zu einfach!”

Igeltypen sind keineswegs dumm. Ganz im Gegenteil: Sie wissen, dass Einsicht im Grunde nur durch Vereinfachung möglich ist. Was könnte einfacher sein als E=mc2? Was einfacher als die Idee des Unbewussten in Ich, Es und Über-Ich? Was einfacher als zu glauben, dass Gott alles möglich ist?

Nein, Igeltypen sind keine Einfaltspinsel. Sie verfügen über eine große Trennschärfe, die es ihnen ermöglicht, durch die Komplexität hindurch zu sehen und darunter verborgene Muster zu erkennen. Igeltypen haben einen Blick für das Wesentliche, alles andere ignorieren sie.

Lassen sich deine Überzeugungen und klugen Ideen in irgendeiner Weise zusammenfassen und auf eine wesentliche Wahrheit oder Lebensweisheit reduzieren? Nimm dir die Zeit und “igel” dich mal ein um darüber nachzudenken. Das Ergebnis könnte langfristig die Menschheit bewegen.

Quelle: Jim Collins: “Good to Great. Why some companies make the leap and others don’t!”

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