Menschen, die in einem christlichen Umfeld arbeiten, fühlen sich oft genötigt, ihre Meinung mit einer mehrschichtigen Verkleidung aus Dingen wie Freundlichkeit und Zuvorkommenheit und Höflichkeit abzupolstern. Wenn sie schließlich allen Mut zusammennehmen und ihre Ansichten äußern, haben sie diese pflichtschuldig dermaßen verwässert, dass ihr Sinn kaum noch erkennbar ist. Die anderen Anwesenden schauen sich verständnislos an und fragen sich, was um alles in der Welt die Person gerade gesagt hat. Oder auch nicht gesagt hat. Die merkwürdige Stille hält an, bis ein mutiger Zeitgenosse endlich den Mund aufmacht: „HÄ?“ Der freundliche, zuvorkommende, höfliche Mitarbeiter gerät in Panik. „Oh Nein“, denkt er, „ich muss jemandem mit meinen Bemerkungen zu nahe getreten sein. Ich werde wohl nochmal erklären müssen, worauf ich hinaus will, aber diesmal werde ich noch freundlicher und höflicher sein!“ Der Betreffende setzt dazu an, sein verwässertes Gerede noch einmal vorzutragen, diesmal mit zusätzlicher Polsterung und Verallgemeinerung und Herumdruckserei. Acht lange Minuten später sind seine Kollegen immer noch verwirrt.

Gute Leiter lassen es erst gar nicht erst soweit kommen. Stattdessen sagen sie einer solchen Situation: „Zeit ist kostbar und wir alle haben heute noch viel vor. Offensichtlich hast du noch was auf dem Herzen und du darfst dich völlig frei fühlen, damit jetzt herauszurücken und Klartext zu reden. Wir werden deine Deutlichkeit mit all ihren unerwünschten Nebenwirkungen schon verkraften, das verspreche ich dir. Aber komm jetzt bitte zur Sache, sonst kommen wir nicht weiter – und zwar kurz und bündig.“

Als ich diese Sätze in Bill Hybels Leiterschaftsbuch: „Die Kunst des Führens“ las, fielen mir sofort einige Situationen ein, in denen wir als Leiter verbale extra Runden gedreht haben, weil wir zu lange um den heißen Brei geredet haben. Manchmal trippelt nicht nur eine Person auf Zehenspitzen um die Wahrheit herum sondern manchmal die gesamte Gruppe. Das einzige richtige was du in dem Moment tun kannst  ist, dieses Verhalten sofort im Keim zu ersticken.

Was das Ganze aber zeigt ist, wie viel Mühe eine Führungsperson darauf verwenden muss, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Leute sicher genug fühlen, um vor einer Gruppe klar und unverblümt zu sprechen. Diese Atmosphäre kann und muss man schaffen!

Und falls sich mal wieder eine Sitzung bei uns zu einem Tanz um den heißen Brei entwickelt, werde ich mir den Ratschlag von Bill Hybels zu Herzen nehmen: „Unterbrechen Sie die Sitzung, erklären Sie dem Team, Sie hätten das Gefühl es liege irgendwas unausgesprochenes in der Luft, und lassen sie sich von jedem einzelnem erklären, wie er oder sie dir Station empfindet. Sagen Sie: „Ich möchte, dass alle in der Runde klar und eindeutig äußern. Bitte fasst in zehn Sekunden zusammen, was sich hier eurer Einschätzung nach die letzte halbe Stunde abgespielt hat, nicht mehr und nicht weniger. Haltet keine Predigt oder geht auf Nummer sicher. Sagt uns einfach, was ihr denkt, und bitte, Freunde, redet Klartext!“

 

 

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